Ich verlasse das viel zu kalte und brüchige Flughafengebäude. Vor mir liegen drei Monate, von denen ich nichts, außer ein, für mich, neues und vor allem absolut fremdes Umfeld erwarte. Ich laufe gegen eine Wand. Es ist die stickige und feuchte Luft von Abidjan, die mich fast von der afrikanischen Realität abprallen lässt.
Hallo Afrika. Hallo Elfenbeinküste, du unbekanntes Land.
In meiner Nase liegt der Duft Abidjans, dem größten Ballungsraum der Elfenbeinküste. So wird der Ort von Wikipedia genannt. Ich nenne es die Hauptstadt, denn die eigentliche Hauptstadt, Yamoussoukro, ist leer. Absolut leer. Es ist ein missglücktes Projekt, das mal ganz groß sein sollte. Doch das einzige, was hier noch groß ist, sind die leeren und unglaublich riesigen Highways, die sich mitten durch die Stadt führen. Abidjan hingegen ist voll, verdammt voll. Die Autos hupen, Menschen in bunten Gewändern manövrieren sich über die Straße. Rechts bepackt eine Dame gerade ihren Kopf mit diversen Säcken, links wird ein Taxi mit der letzten, 12., Person vollgestopft. Dahinter im Taxi sitze ich, die 10. Person. Wir warten noch. So lange, bis auch die 12. Person einen Platz hat, bis das 12. Kind auf einem Schoss sitzt und die Ziegen, oben auf dem Dach, gut angeschnallt sind. Die Beine muss ich anheben, denn einen Boden hat dieses Taxi nicht mehr. Naja, trainiert die Oberschenkel, denke ich mir, als wir langsam losbrettern.
Dem Fahrer stehen Schweißperlen auf der Nase. Mir auch. Es ist das erste Mal, dass ich in Westafrika bin. Es ist das erste Mal, dass ich drei Monate keinen deutschen Boden betrete. Es ist das erste Mal, dass ich mich in einem Entwicklungsland aufhalte. Meine erste große Reise, ganz allein. Der Schweiß läuft mir die Schläfen herunter. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Mit zarten 19 fahre ich jetzt über die rauhen und, vor allem, kaum vorhandenen Straßen der Elfenbeinküste. Ein Land, das ich, ehe ich mich versehen kann, noch ordentlich zu lieben beginnen werde. Ein Land, in dem selbst kleine Beutel Salz auf dem Kopf transportiert werden. Ein Land, in dem die Menschen mit dem kleinsten Besitz das größte Herz haben und das meiste geben. Ein Land, das mir, am Ende der drei Monate, Tränen in die Augen drücken wird.
Nach einer Stunde Fahrt, etlichen Stopps im Nirgendwo und gefühlten Millionen von neuen Eindrücken bin ich angekommen in meinem Zuhause für die nächsten drei Monate: Grand Bassam. Ein kleines Örtchen, das einmal das Tourismuszentrum der Elfenbeinküste war. Heute gibt es hier keine Straßen, einen Supermarkt, zahlreiche Kolonialruinen und leerstehende Hotels. Ich bin hier, um die ivorische Kunst zu fördern, um sie irgendwie nach Europa zu bringen und um den talentierten Künstlern hier eine Perspektive zu geben. Nun ja. Das klingt einfacher, als gedacht. Auf dem Papier klingt es so, als könnte ich in ein Atelier marschieren und schnell mal ein paar Masken einpacken, um sie nach Europa zu schicken.
In Wirklichkeit sieht es ganz anders aus: Langsam laufe ich durch das Dorf, denn wer schnell geht, der entpuppt sich als Neuankömmling. Nach ein paar Wochen habe ich mich an das „La Blanche!“ gewöhnt, das mir von allen Seiten zugerufen wird. Und auch an die Hitze, an den Sand, der mir nach einem Tag in sämtlichen Taschen und Poren hängt und an das Dauergrinsen der Menschen, denen ich begegne. Komisch, wie schnell sich, so weit entfernt von Zuhause, ein heimeliges Gefühl entwickelt. An einem Ort, der anders nicht sein könnte. An einem Ort, an dem man sich ganz schnell an ganz vieles gewöhnen muss. „This is Africa, man! You gotta do, how we do, man!“ Stimmt. Einfach akzeptieren. Und mit nach Hause nehmen!
In der Ruhe liegt die Kraft, my friend.
Am Ende meiner drei Monate habe ich nicht ein einziges Kunststück nach Europa gebracht. Abgesehen von denen, die nun als Souvenirs in meinem Koffer liegen. Und weißt du was? Das ist ok. Wenn man eine Sache in Afrika lernt, dann ist es die Sache mit der Ruhe.
Die Sonne geht so langsam unter und ich mache mich fertig, denn ich bin verabredet, es soll auf eine Hochzeit gehen und ich kann es kaum erwarten. In einem Dorf, wie Grand Bassam, lernt man schnell Leute kennen. Gerade, wenn man die einzige Weiße im Dorf ist. Mit „La Blanche“ will halt jeder befreundet sein. Und so sitze ich in meinem Apartment und warte. Zehn Minuten. Zwanzig Minuten. Eine Stunde. 90 Minuten und es klingelt an der Tür. Mit einem fetten Grinsen steht Yissouf vor mir. Schick hat er sich gemacht. Aber eine Entschuldigung gibt es nicht. Auch das ist ok. Dann kommen wir eben zu spät. Aufgeregt erzählt er mir von seinem Tag, von den Dingen, die er schon vorbereitet hat, der Musik, die er ausgesucht hat und den Trommlern, die er bestellt hat. Dann sind wir da. Bei der Hochzeit. Vor uns stehen reihenweise Plastikstühle, nur die Menschen, die fehlen. „Ich sag doch, wir sind viel zu früh!“, ruft mir Yissouf zu. Jetzt heißt es warten. Bis die Braut kommt, der Bräutigam und die Gäste.
12 Uhr beginnen die Trommeln. Mitternacht. Das wird ein langes Fest, aber ein schönes. Da hat sich selbst das Warten gelohnt! Was nicht ist, das ist halt nicht. Scheiße, denke ich mir, als die Spülung von meinem Klo mal wieder nicht geht. Scheiße. Ich bin bereits zwei Monate in Grand Bassam. Das ist nicht das erste Mal, dass das passiert und genau deswegen sind die nächsten Schritte wie einstudiert: Wasserhahn in der Küche checken, Gartenschlauch checken, beim Nachbar fragen, ob das Wasser geht. Scheiße. Schon wieder kein Wasser. Das letzte Mal, als das passiert ist, hat es eine Woche gedauert, bis der Elektriker alles gerichtet hat. Woher das kommt? Ach, entweder war es eine Kuh, die irgendwas irgendwo durchgebissen hat oder eben etwas anderes. So genau erfährt man das hier nie. Ist ja auch egal, denn es müssen Maßnahmen her. Würde das in Deutschland passieren, dann würde ich jetzt den Hausmeister anrufen und innerhalb von einer Stunde ginge das Wasser. Warm oder kalt, aber fließend. Das geht hier nicht. Ich packe mein Handtuch und meine Seife und nehme das nächste Taxi zu dem einen einzigen Hotel, das den Tourismuseinbruch überlebt hat.
Ich grüße die Jungs und Mädels am Empfang, schon okay, die wissen eh bescheid. Mit Bikini stelle ich mich unter die Pool-Dusche und, naja, dusche. Eine Woche lang geht das so. Es sei denn es regnet. Dann dusche ich, gemeinsam mit meinen Nachbarn draußen, unter freiem Himmel. Aufregen tue ich mich schon lange nicht mehr. Wieso denn auch? Es gehört zum afrikanischen Leben dazu, dass Dinge einfach nicht gehen. Wieso auch immer. Dann wartet man, freut sich, dass man mit Kindern eingeschäumt im Regen tanzen kann und genießt es. Das Problem löst sich schon. Ganz ohne Hausmeister.
Zur Not trommelste halt ein bisschen.
Wer in Afrika zur Weißglut gebracht wird, der hat nichts gelernt. Denn das gibt es hier nicht. Warten, sitzen, entspannen und warten. So läuft das hier. Und selbst wenn die Kacke einmal so richtig am Dampfen ist, dann wird getrommelt. Wenn ich am Abend in meinem Zimmer sitze und den Kühen beim Trotten über die Straße zuschaue, dann höre ich immer irgendwo in der Ferne eine Trommel. Ein bisschen Gesang dazu. Aber Hauptsache eine Trommel. Es scheint, als wäre dies ein Allheilmittel der Ivorer. Etwas, das sie vor dem Stress im Alltag schützt und ihnen noch mehr Geduld gibt, als sie eigentlich schon besitzen. Aber eigentlich ist es auch das, was Afrika so besonders macht: der Zusammenhalt, die Lebensfreude, die generelle Einstellung zum Leben. Man sitzt zusammen. Man lacht zusammen. Und man freut sich gemeinsam über die coolen Tanzschritte, die der alte Opi von nebenan noch auf dem sandigen Boden bringen kann.
Ich will etwas davon. Für den unnötigen Stress in Deutschland.
Und so stehe ich, mit Tränen in den Augen und buntem Gewand am Flughafen Abidjan. Ein letztes Mal steige ich aus dem überfüllten Taxi. Ein letztes Mal der Geruch der Ziege, die auf dem Dach saß. Eine Stunde lang. Ein letztes Mal ein afrikanisches Lachen einfangen.
„Au revoir, la Blanche“, flüstert mir Yissouf ins Ohr. Er gibt mir meine Trommel und winkt. Au revoir, Afrika.
Geduld, das ist etwas, das ich mir jetzt auch mehr vornehme für meinen Alltag zu Hause. Wer braucht schon Stress? Langsam angehen ist die Devise, mit mehr Strandspaziergängen, mehr Tagen im Park, im Wald, in der Natur. Und mit einem größeren Lächeln im Gesicht, wie hier auf dem Bild der neuen „Prints & Pattern“-Kampagne von Esprit. Wer sich hier die Bilder anschaut, die an den Stränden dieser Welt geschossen wurden, der versteht was ich meine.
Die Muster der flatternden Kleider erinnern mich an die, die in den Straßen von Bassam geschneidert wurden. Das Lachen erinnertn mich an die Einheimischen, mit denen ich am Strand gemeinsam Kokosnüsse getrunken habe. Und der Slogan „Patterns & Prints“ ist das, was für mich die Elfenbeinküste ausmacht. Es sind die Mamis, die mit ihren bunten Kleidern durch die Straßen wandern, mit einem fetten Grinsen im Gesicht. Der Stoff immer abgestimmt, von Kopf bis Fuß, von Kopftuch bis Babygurt – alles bunt, gemustert und einfach passend für die Kulisse, die sie umgibt. Wer also, wie ich, in Deutschland die Leichtigkeit Afrikas vermisst, der sollte mal die Patterns & Prints Kampagne von Esprit durchblättern und sich ein Stückchen Afrika nach Hause holen.
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