Havana. Woran denkt man, wenn Havana so kurz vor einem ist? Ich muss zugeben, ich denke an die Szenen in Dirty Dancing 2, einem schrecklichen Film, der mich aber trotzdem auf diese Idee brachte nach Kuba zu fliegen. Ich weiß, ich weiß, Kuba ist bekannt für andere Dinge. Für die politische Lage, für den Rum, für die Zigarren, und garantiert eher weniger für Dirty Dancing 2, aber so ist das nun einmal bei mir.
Ich fahre mit einem Taxi von Cienfuegos nach Havana Mein Taxifahrer kann leider kein Englisch, ich leider immernoch kein Spanisch, aber wir verstehen uns. Allein weil er den coolsten Stil hat, den ich bisher in Kuba gesehen habe. Ich freute mich tierisch auf Havana, weil ich endlich meine Freundin aus Berlin treffen wollte. Aber auch darauf, dass ich hier das erste Mal bei einem Freund von einem Freund übernachten werde. Ich hatte keinerlei Erwartungen, sondern fand es beachtlich wie klein die Welt doch ist, dass ich tatsächlich über einen Freund aus London eine Person in Kuba kenne. Mein neuer Freund heißt Roland. Ich kannte ihn vor Kuba nur als den „crazy friend in Cuba, I really have to meet“. So sagt es mir zumindest mein spanischer Freund immer. Einen Abend zuvor habe ich Roli, so nennen ihn seine Freunde, angerufen und gefragt ob ich denn noch kommen kann. Und ja, er sagt ja, ich durfte also kommen.
Und so fuhr mein Taxi vor Rolis Wohnung ein. Ein bisschen Schiss hatte ich ja schon. Da ist schon wieder dieses kleine Mädchen, das ihr Glück mal wieder herausfordert und mit ihrem Backpack durch die Weltgeschichte wandert. Ich steige aus dem Taxi aus und werde bereits mit freudigen Rufen begrüßt. Roli, oben ohne, stand auf seinem Balkon. Rechts die Kippe, links die Dose Bier, ein hochroter Kopf von der Sonne oder dem Alkohol, das weiß man nicht. Da stand er, der Freund von einem Freund und wartete auf mich. Ich wurde mit einer fetten Umarmung und einer Dose Bier in Rolis Wohnung begrüßt. Die Wohnung befand sich am Rand von Havana, weit entfernt von Hotels. Genau das, was ich wollte und doch stimmte etwas in meinem kleinen europäischen Kopf nicht. Da stand ich nun auf dem Balkon in Havana, die Sonne ging unter, ich hatte eine filterlose Zigarette in der Hand und schlürfte mein Bier. Eigentlich alles genau so, wie es auch zu Hause bei Freunden sein würde. Vielleicht gäbe es da den Filter in der Zigarette. Ich blickte in die Ferne, über die Dächer von Havana. Während meiner Tage in Kuba, 9 an der Zahl bisher, schleppte ich ein Paar Schuhe mit mir rum, das ich aus London bis nach Havana zu dem Freund von meinem Freund bringen sollte. Jetzt stellt euch das mal vor. Da wandert ein paar Schuhe einmal über den großen Teich, um dann in den Händen eines überglücklichen kubanischen Jungen zu landen, der wahrscheinlich auch, genau wie ich, vor ein paar Jahren mit meinem Freund aus London auf dem Balkon stand und eine filterlose Zigarette rauchte.
Roli führte mich in mein Zimmer. Er umarmte mich noch gefühlte fünfmal und sagte mir „You are my family!“. Trotzdem fühlte ich mich einfach nicht wohl und ich weiß genau wieso. Da saß ich jetzt in meinem Zimmer. Es war, natürlich, nicht so schön, wie die Casas in denen ich vorher geschlafen habe. Es befand sich auf einem Hinterhof, der verwahrlost wirkte und in der Wohnung wohnten drei Generationen auf engstem Raum. Das störte mich. Und nervte mich zugleich. Wieso haben wir blöden Europäer eigentlich immer das Gefühl, dass alles perfekt sein müsste. Übersehen wir dadurch nicht die wirklich wichtigen Dinge, wie zum Beispiel den Fakt, dass ich hier gerade bei einem wildfremden Menschen wohne, der sich für mich den Arsch aufreißt, weil auch ich nur der Freund von seinem Freund bin? Ich gab mir einen Ruck und fing an die Sache von der anderen Seite zu sehen und da war es, das Grinsen auf meinem Gesicht. Als es dann auch noch an der Tür klopfte und Roli mir das Essen brachte, das seine Frau extra für mich gekocht hat, war die Welt in Ordnung. Sie hätte besser nicht sein können in diesem Moment. Da saß ich wirklich, am Rande von Havana und aß mit einer kubanischen Familie, die ich nur aus Erzählungen kannte. Roli nahm dies übrigens als Anlass zu feiern und wurde im Laufe des Abends immer betrunkener, bis er auf dem Sofa einschlief. Beruhigend und so normal, irgendwie.
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